Forschungsstelle Glücksspiel geißelt Passivität der Politik

Glücksspiel-Symposium der Universität Hohenheim sieht Deutschland nicht gewappnet im Kampf gegen illegale Anbieter / v.a. Jungendliche gefährdet

Rund 12.000 illegale Glücksspielanbieter agierten im Internet, ohne dass sie eine Strafverfolgung in Deutschland befürchten müssten. Eine „untragbare Situation“, so dass Urteil von Prof. Dr. Tilman Becker, Geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim. „Wer sich nicht an Gesetze hält, wird geschont. Legale Anbieter, die Sucht- und Jugendschutz ernst nehmen und Steuern zahlen, werden durch rechtliche Hürden eingeschränkt.“ Ergebnis sei, dass z.B. der Jugendschutz konterkariert werde: „Illegale Online-Anbieter bieten unkomplizierten Zugang zu schnellen Spielen mit höheren Ausschüttungen – was gerade Jugendliche in ihre Arme treibt.“ Dabei seien Gegenmaßnahmen durchaus möglich. Eine zentrale Forderung sei eine gut ausgestattete Gemeinsame Glücksspielkommission der Länder, die alle Aufgaben der Glücksspielaufsicht bündelt. Seine Aussagen traf der Experte auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag. Anlass war das wissenschaftliche Glücksspiel-Symposium 2014 mit dem Schwerpunkt „Zwischenbilanz zum neuen Glücksspielstaatsvertrag“.

Es geht um viel Geld – auch für den Staat. Europaweit zahlen die zugelassenen Glücksspielanbieter jährlich rund 22 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben. Das meiste fließt in Sport- und Kulturförderung. Fünf Milliarden Euro sind es allein in Deutschland.

Auch den Bundesbürgern ist das Glücksspiel viel Geld wert. Im Jahr 2012 verzockten allein die Bundesbürger rund 48 Milliarden Euro – bei den legalen Anbietern. Dazu kommen geschätzte 6 bis 9 Milliarden an illegalen Einsätzen allein in der Bundesrepublik. „Das ist doppelt so viel wie noch im Jahr 2006“, rechnet Prof. Dr. Becker von der Universität Hohenheim: „Steigend“. Konsequenzen: „Fast keine.“

Deutschland sieht zu, während andere Länder handeln
Dabei gäbe es durchaus wirksame Gegenmaßnahmen, wie die Experten auf dem Symposium berichten. Dazu zähle:

  • Werbeverbot für illegale Anbieter, bei dem Verstöße verfolgt und mit hohen Strafen geahndet werden (z.B. in Frankreich)
  • Schwarze und weiße Listen für Glücksspielanbieter (z.B. in Belgien)
  • Zugriffsbeschränkungen auf Internetseiten illegaler Anbieter (z.B. in Italien)
  • Abkommen mit Kreditkarten-Unternehmen, um Finanzströme auf Konten illegaler Anbieter zu blockieren (wie in anderen Ländern praktiziert)

In Deutschland herrsche dagegen weitgehend Passivität, so Prof. Dr. Becker. Ein Beispiel: Online-Casinos. „Diese Casinos sind seit acht Jahren verboten. Was ist passiert? Nichts!“

Glücksspiel-Kommission könnte Probleme mindern
Grund dafür seien die schwerfälligen Strukturen in Deutschland. „Wir haben 16 Länder mit 16 unterschiedlichen Gesetzen – und jeder wartet, dass der andere voran geht“, so Prof. Dr. Becker.
Ein Fortschritt wäre eine bundesweite Glücksspiel-Kommission, die alle Aufgaben bündelt. „An sich sind die Vorgaben im Glücksspielstaatsvertrag gar nicht schlecht – sie müssten nur umgesetzt werden“, meint Prof. Dr. Becker. „Das kleine Dänemark besitzt eine solche Kommission mit 100 Mitarbeitern – nur Deutschland akzeptiert statt dessen einen Wildwest-Zustand, der eigentlich untragbar ist“.

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Tipico wird neuer Titelsponsor der Bundesliga

Österreichs Fußball-Bundesliga, die zuletzt aufgrund des Wettskandals und des Abgangs von Vorstand Georg Pangl meist negativ in den Schlagzeilen stand, hat einen neuen Bewerbssponsor gefunden: Der deutsche Wettanbieter Tipico löst tipp3 ab Sommer ab.

Die Partnerschaft zwischen Tipico und der Bundesliga gilt zunächst für drei Jahre bis zum Ende der Spielzeit 2016/17. Tipico soll rund zwei Millionen Euro pro Saison an den Ligaverband bezahlen.

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Ende des Zulassungsverfahrens im Sportbereich nicht absehbar

Staatliche Lottoanbieter ausgebremst

Milliardenmarkt Sportwetten: Der Schwarzmarkt blüht. Der Staat schaut zu. Und die staatlichen Lottoanbieter bleiben von der Länderaufsicht ausgebremst auf der Strecke. Eine „Mission Impossible“ – auf diese bittere Kurzformel bringt Lotto-Hessen-Chef Heinz-Georg Sundermann die Situation. Eigentlich wollten die Ministerpräsidenten den Sportwettenmarkt liberalisieren und ein öffentliches Angebot ermöglichen, würden von den Aufsichtsbehörden der Bundesländer aber in der Praxis daran gehindert. Großes Manko, alle Länderaufsichten sind in einem Gremium – dem Glücksspielkollegium – vereint. Entschieden wird mit Mehrheit. So setze sich die kleinlichste Regelung durch, kritisiert Sundermann.

Anträge pauschal abgelehnt

Das Zulassungsverfahren beim bundesweit federführenden hessischen Innenministerium läuft, läuft und läuft. Mittlerweile seit mehr als 1,5 Jahren. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Im Dezember 2013 wurden nach einem Auswahlverfahren die verbliebenen Lizenzanträge pauschal abgelehnt und im Januar 2014 mit der Abgabefrist Ende März weitere Unterlagen angefordert. „Konkrete Angaben über den Zeitpunkt der Konzessionsvergabe sind derzeit nicht möglich“, teilt das Innenministerium mit.

Die privaten Sportwettenanbieter sind derweil weiter aktiv. Mit der Berufung auf die europäische Dienstleistungsfreiheit dürfen sie in Deutschland ihre Wetten anbieten. Auflagen hinsichtlich der Werbung, der Angebotsausweitung und des Jugend- und Spielerschutzes gelten unterdessen nur für die staatlichen Lottogesellschaften.

Gleichzeitig gelten in den Bundesländern noch viele unterschiedliche Auflagen, beispielsweise ob einzelne Ländergesellschaften im Internet Sportwetten anbieten dürfen. In Hessen und Rheinland-Pfalz gaben die Länder dafür grünes Licht, in anderen Ländern nicht. „Angesichts des rechtlichen Flickenteppichs kann kein national wettbewerbsfähiges Angebot entstehen“, sieht Sundermann die Chancen gegen die privaten Wettbewerber schwinden. Dementsprechend sinkt der Marktanteil. Denn mit dem abgespeckten Angebot und geringen Ausschüttungsquoten kam der öffentliche Anbieter Oddset im Jahr 2013 nur auf Einsätze von 134 Millionen Euro. Und das bei einem Markt von geschätzt vier Milliarden Euro. Durch die Einnahmeverluste der staatlichen Anbieter steht auch für soziale Zwecke weniger Geld zur Verfügung, da diese einen Teil der Einsätze hierfür abführen müssen.

Ein Grund für das lange Zulassungsverfahren ist nach Sundermanns Ansicht die willkürliche Beschränkung auf bundesweit 20 Anbieter. Denn nun muss die Auswahl juristisch möglichst unanfechtbar erfolgen. Das hessische Innenministerium rechnet trotzdem mit Klagen: „Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die dann unterlegenen Antragsteller von Rechtsmitteln Gebrauch machen und die Erteilung der Konzession zu verhindern versuchen werden.“ Gleichzeitig ist laut Sundermann absehbar, dass von genehmigten Anbietern gegen strenge Auflagen wie Werbeeinschränkungen juristisch vorgegangen werden wird.

Kritik an Hängepartie

Sunderman lehnt eine quantitative Beschränkung ab. Stattdessen sollte jeder Anbieter zugelassen werden, wenn er bestimmte Auflagen erfüllt. Aber vergebens. Das Verfahren läuft. Die juristischen Scharmützel könnten die Zulassung zu einem Spiel ohne Ende werden lassen, so Sundermann.

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OVG Münster urteilt im Streit um Online-Sportwetten

Aufsichtsbehörde kann an alten glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügungen festhalten

Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG Münster) hat mit Urteilen vom heutigen Tage entschieden, dass die in NRW zuständige Aufsichtsbehörde in Düsseldorf an ihren alten glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügungen gegen Glücksspielveranstalter im Internet festhalten kann.

Geklagt hatten u. a. Veranstalter von öffentlichen Glücksspielen, die ihr Angebot – vor allem Sportwetten – im Internet bereithalten. Ihnen war nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 das Veranstalten von Glücksspiel im Internet untersagt worden, weil sie zum einen keine Erlaubnis zum Veranstalten öffentlichen Glücksspiels hatten und zum anderen das Glücksspiel im Internet veranstaltet wurde.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte die Klagen in erster Instanz abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat nunmehr die Berufungen gegen diese Urteile zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Veranstalter auch nach heutiger Rechtslage – in NRW ist am 1. Dezember 2012 der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag in Kraft getreten – einer Erlaubnis zum Veranstalten öffentlicher Glücksspiele bedürften. Ihnen könne das Fehlen der Erlaubnisse auch entgegengehalten werden, da der Markt für Sportwetten inzwischen durch ein Konzessionssystem für private Anbieter geöffnet worden sei. Dass das Konzessionserteilungsverfahren vom bundesweit zuständigen hessischen Innenministerium noch nicht abgeschlossen sei, verpflichte die Aufsichtsbehörde nicht, das nicht erlaubte Glücksspiel in der Zwischenzeit zu dulden.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nur insoweit zugelassen, als seine Urteile das neue Recht betreffen. Im Übrigen – für die Vergangenheit – ist die Revision nicht zugelassen worden. Dagegen ist die Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Az.: 13 A 2018/11 und 13 A 351/12