Wenn ein Gesetz die Realität verkennt

Wenn ein Gesetz die Realität verkennt – Glücksspielanbieter warten seit Sommer 2012 auf Lizenzen in Deutschland

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach spricht von einer „Hängepartie“,DOSB-Generaldirektor Michael Vesper nennt es ein „Trauerspiel“, Hessens Lotto-Chef Heinz-Georg Sundermann sieht eine „Mission Impossible“. Der stellvertretende FDP-Chef und Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, erkennt gar „Irrwege ins Nirgendwo“. Und „Nirgendwo“ liegt in Deutschland, wo Dutzende von Sportwetten-Anbietern mittlerweile seit weit über einem Jahr auf die Vergabe von Lizenzen warten, die es ihnen ermöglichen würden, unternehmerisch tätig zu sein, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen und Steuern zu bezahlen. Grundlage ist der im Juli 2012 in Kraft getretene Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV), der eine Zulassung privater und staatlicher Anbieter zum deutschen Sportwettenmarkt für die Dauer von sieben Jahren und 20 Konzessionen vorsieht. Das federführende hessische Innenministerium hat bis dato keine Prognose über den Zeitpunkt der Konzessionsvergaben abgegeben, die FDP-Fraktion im hessischen Landtag hat hierzu gerade eine Anfrage auf den parlamentarischen Weg gebracht.

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Hessen: Gericht verpflichtet Innenministerium zur Entscheidung über Konzessionsantrag

Sportwetten-Konzessionierungsverfahren: Verwaltungsgericht Wiesbaden verpflichtet Innenministerium zur Entscheidung über Konzessionsantrag

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat das hessische Innenministerium mit einer nunmehr in der juristischen Datenbank juris veröffentlichten Entscheidung verpflichtet, in dem seit August 2012 laufenden Sportwetten-Konzessionierungsverfahren über den Antrag eines Antragstellers innerhalb von drei Monaten zu entscheiden (Beschluss vom 20. Dezember 2013, Az. 5 L 970/13.WI).

Die acht Landeslotteriegesellschaften gehörende ODS Oddset Deutschland Sportwetten GmbH hatte beim Verwaltungsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes versucht, das Ministerium zu verpflichten, ihr eine vorläufige Konzession zu erteilen. Diesen Hauptantrag lehnte das Gericht ab. Der Glücksspielstaatsvertrag sehe keine vorläufige Konzessionierung vor (Rn 21). Auch sei das Bewerbungsverfahren nicht abgeschlossen. Die Antragstellerin habe auch keine „irgendwie geartete Anwaltschaft auf eine Konzession“ erworben (Rn. 24).

Anschließend stellt das Verwaltungsgericht jedoch fest, dass eine noch längere Verfahrensdauer nicht zumutbar sei. Über den Antrag sei nicht in angemessener Zeit entschieden worden, ohne dass ein zureichender Grund dafür ersichtlich sei (Rn. 27). Das Gericht führt weiter aus:

„Arbeitsbelastung der Behörde, mangelnde personelle Ausstattung und Ungenauigkeiten im bisherigen Prüfungsverfahren können nicht als Rechtfertigkeit für die mehrjährige Dauer des Verfahrens angesehen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Glücksspielstaatsvertrag zunächst nur eine Vergabe von Konzessionen für 7 Jahre vorsieht, wobei die 7-Jahres-Frist nicht etwa mit der Konzessionserteilung, sondern bereits mit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Juli 2012 zu laufen beginnt (§ 10 a Abs. 1 GlüStV). Würde erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 eine Konzessionsentscheidung ergehen, läge dies weder im öffentlichen Interesse (Experimentierphase) noch im Interesse der Antragstellerin, weil sie von der auf 7 Jahre angelegten Konzession nur höchstens für einen Zeitraum von 5 Jahren Gebrauch machen könnte. Auch der Erkenntnisgewinn, den sich der Gesetzgeber für die Zielerreichung durch europarechtskonforme Gestaltung des Glücksspielrechts erhofft, wäre deutlich reduziert, wenn nur 5/7 des vorgesehenen Erprobungszeitraums tatsächlich zur Verfügung stehen.“

Abschließend hält das Verwaltungsgericht fest, dass über alle Konzessionierungsanträge zeitgleich zu entscheiden sei (Rn.30), damit auch über die zahlreichen Anträge privater Anbieter. Derzeit läuft allerdings noch ein Nachbesserungsverfahren, in dem die Bewerber bis zum 14. März 2014 noch Unterlagen beim Ministerium einreichen können.

… zu den Beschlüssen der Hessischen Gerichte

Hessen: Verfahren um Sportwettenlizenzen wird fortgesetzt

Hessisches Ministerium setzt Vergabeverfahren um bundesweite Sportwettenlizenzen fort

Die Vergabe der deutschen Sportwettenlizenzen geht in die nächste Runde. Keiner der 41 Antragsteller, die schon zur 2. Stufe des Konzessionsverfahrens zugelassen waren, erfüllten angeblich die Mindestanforderung. Dies verkündete das Hessische Innen- und Sportministerium im November 2013. Dabei hatte es zuvor schon 14 Bewerber in die engere Wahl genommen, die nach früheren Ministeriumsangaben die Mindestanforderungen erfüllt hatten.

Aufgrund dieses Prüfungsergebnisses wurden die Antragsteller nun aufgefordert, ihre bereits eingereichten Unterlagen bis zum 14. März 2014 zu ergänzen und ggf. weitere Angaben, Nachweise und Unterlagen vorzulegen.

Experten gehen davon aus, dass eine Lizenzerteilung jedoch nicht mehr in diesem Jahr stattfinden wird.

Zugehörige Artikel: Hessen: Vergabeverfahren wird ab Januar 2014 neu gestartet

Punktsieg für die Glücksspiel-Industrie

Wer den Koalitionsvertrag von Union und SPD nach dem Begriff „Sucht“ absucht, wird nur ein einziges Mal fündig, und zwar im Zusammenhang mit dem Internet. Drogen- oder Spielsucht? Fehlanzeige. Die Glücksspiel-Industrie hat von der neuen Koalition nichts zu befürchten.

Wenn es um die Interessen der Glücksspiel-Industrie geht, kennt Cheflobbyist Paul Gauselmann kein Pardon: Die Politik wolle die Branche vernichten, doch „diesen Krieg werden wir gewinnen“ – so macht der Chef des Marktführers Merkur und Spitzenmann des Verbandes der Automatenindustrie seinen Kollegen Mut. Solange die FDP in der Bundesregierung mitregierte, konnten sich die Hersteller von Geldspielgeräten und die Betreiber von Spielhallen tatsächlich sicher sein, weiterhin trickreich Gesetze unterlaufen zu können, um Milliardengewinne auf Kosten von Spielsüchtigen einzustreichen. Die große Koalition hätte nun die Chance, das zu ändern. Doch derzeit sieht alles danach aus, als würde Gauselmann am Ende Recht behalten.

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Beim Glücksspiel verzockt: Die Neuordnung der Sportwetten stockt

München – Die Arbeitsatmosphäre ist angenehm, die Büros sind modern und hell, es gibt eine Kaffeebar. Trotzdem sind die 20 Mitarbeiter der Münchener ODS Oddset Sportwetten GmbH alles andere als entspannt. Seit fast zwei Jahren arbeiten sie auf einen Tag hin, der vielleicht niemals kommt: Den Startschuss für ihr Sportwetten-Angebot. Die Spezialisten von ODS Oddset müssen sich auf Trockenübungen beschränken, weil Deutschlands Bürokraten es immer noch nicht geschafft haben, die versprochenen Sportwett-Lizenzen zu verteilen. Seit anderthalb Jahren gilt der neue Glücksspiel-Staatsvertrag, doch die Konzessionen gibt es bis heute nicht.

Die Branche ist frustriert über den zähen Vergabeprozess und rechnet mit einem langen Verfahren.

„Vermutlich wird es 2015 werden, bis die Konzessionen überhaupt verteilt sind“, klagt Karin Klein, Vorstandsmitglied des Verbands European Gaming and Betting Association. Im Sommer 2012 waren die Manager der Wettkonzerne noch guter Dinge: Sie durften damit rechnen, dass sie ihre Wetten bald in Deutschland legal anbieten können. Mit dem seit Anfang Juli 2012 geltenden neuen Glücksspiel-Staatsvertrag schien der Weg frei. Doch inzwischen stellen die Unternehmen fest, dass sie sich getäuscht haben. Bis zu 20 Konzessionen will der Staat verteilen. Das für die Vergabe zuständige Innenministerium von Hessen hat dafür ein komplexes Verfahren angestrengt. Bisheriges Ergebnis: Kein Bewerber erfülle die Mindestanforderungen.

Im Fall der ODS Oddset GmbH ist der Negativ-Bescheid besonders kurios.

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